Kitesurfen: Vom Winde verweht

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Kitesurfen unter besten Bedingungen: Die Dänische Südsee zieht Kiter und Windsurfer magisch an. FIT FOR FUN hat die coolsten Surfreviere angesteuert.

Kitesurfen pur
Seit ein paar Sekunden erst ist Timo auf dem Wasser. Doch schon hebt er ab, katapultiert sich scheinbar schwerelos von einem Element ins andere. Timo hängt an den Strippen eines drachenähnlichen Schirms, gleichzeitig mit den Füßen in den Schlaufen seines Boards – und zeigt in der Luft spektakuläre Stunts. Mal zieht er on air einen Fuß aus der Schlaufe, mal berührt er mit einer Hand das Board oder dreht sich im Himmel um die eigene Achse. Dabei hat der 34-Jährige heute nur wenige Zuschauer, obwohl Kitesurfen an Nord-und Ostseeküsten normalerweise Massen von Schaulustigen anlockt. Doch als Kulisse dienen hier nicht die beliebten Strände von Westerland oder St. Peter-Ording, sondern das weite, offene Meer.

Von: Katharina Klein – fitforfun.de

Sail and Surf
Unter diesem Motto durchqueren 33 Surferinnen und Surfer fünf Tage auf einem alten Traditionssegler die Dänische Südsee – immer auf der Suche nach den besten Kite- und Windsurfspots. Wohin es geht, weiß keiner, denn „unseren Weg kennt nur der Wind“, sagt Daniel Weiß, der Chef auf der „Loth Lorien“. Der 30-Jährige ist Mitinhaber der Surfschule Supremesurf in Rostock und bietet die alljährliche Bootstour durch die Dänische Südsee bereits das siebte Mal an. Den stolzen Namen trägt das Seegebiet südlich der dänischen Insel Fünen, weil das Klima hier so mild ist wie nirgends sonst in Dänemark und die letzte Eiszeit eine einzigartige Insellandschaft hinterlassen hat – vergleichbar der pazifischen Inselvielfalt.

Kitesurfen lernen auf hoher See
Hinter zwei großen Kreuzfahrtunge­tümen versteckt liegt die „Loth Lorien“ am Pier von Warnemünde. Ihre drei knapp 30 Meter hohen Masten ragen in den noch grauen Morgenhimmel. Eine niederländische Flagge weht im Wind, ein Rettungsring mit verblassten schwarzen Lettern gibt Amsterdam als Heimathafen der fast 50 Meter langen Barkentine aus. Nicht nur gestandene Surfer können an der Bootstour teilnehmen, sondern auch Wassersportneulinge im Anfängerkurs beim Wind- oder Kitesurfen durchstarten. Einige der Teilnehmer haben bereits bei Da­niel Surfen gelernt, denn er betreibt zusammen mit einem Kumpel nicht nur den Shop in Rostock, sondern gibt auch am „Beachhouse“ in Warnemünde und in seiner Schule in Saal an der Ostsee Surfkurse.

Surferparadies in der Dänischen Südsee
„Ich will einfach nur ein paar Tage dorthin, wo es den besten Wind und die besten Wellen gibt“, erklärt Student Thorben (21) den Reiz dieser ungewöhnlichen Bootstour – und strahlt dabei übers ganze Gesicht, weil er es kaum erwarten kann, aufs Board zu steigen. Die Möglichkeit dazu bietet sich schneller als gedacht und gibt einen ersten Vorgeschmack auf actionreiche Tage. Denn zusammen mit der „Loth Lorien“ läuft der Renntrimaran „Aca­demy“ aus, der seiner Gattung alle Ehre macht – schließlich hält er mit einer Höchst­geschwindigkeit von knapp 90 km/h den europäischen Rekord. „Wer will, kann sich mit seinem Board hinten anhängen und ziehen lassen“, ruft Daniel. Kaum ausgesprochen, geht plötzlich alles ganz schnell: Innerhalb von Sekunden tauschen die Ersten Shorts und Shirts gegen Neoprenanzüge und Boards. Wer an Bord bleibt, hängt gespannt über der Reling, um sich das Nervenkitzelspektakel nicht entgehen zu lassen.

Zeit für Entspannung
Später treibt der Wind die „Loth Lorien“ mit fünf Windstärken wieder im Alleingang voran, auf dem Sonnendeck vermischen sich sphärische Electroklänge aus einer großen Box mit dem Rauschen des Meeres. Boardbags und Bretter sind seefest vertäut. Neoprenanzüge, Bikinis, Shorts und Handtücher flattern zum Trocknen überall dort im Wind, wo er sie nicht aufs Wasser wehen kann. Wir liegen an Deck, halten die Nase in die salzige Luft und ein kühles Getränk in der Hand, beobachten verträumt die Möwen am Himmel und die weißen Schaumkronen auf den Wellen oder bestaunen im 30 Meter hohen Ausguck die unendliche Weite um uns.

Südsee-Romantik abseits vom Strand
In der Ferne sichtbar ist allein der Horizont, während sich der Dreimaster durch die Wogen schiebt. Wer sich kein Plätzchen auf dem Sonnendeck gesichert hat, liegt im Klüvernetz, das am Vorschiff übers Wasser ragt, und lässt sich von vom sanften Auf und Ab der den Bug umspielenden Wellen in einen wohligen Schlaf wiegen. Und dann tauchen wir ein in die dänische Inselwelt südlich des Kleinen und Großen Belts. „Nun macht doch mal mit, das ist doch keine Fernsehshow hier“, reißt uns Kapitän Jaap (56) mit seinem sympathischen niederländischen Dialekt scherzend aus unseren Tagträumen.

Direkt zu den besten Surfspots
Ein großes Segelschiff braucht viele helfende Hände. So werden wir zum Teil der Crew und steuern den ehemaligen Heringskutter gemeinsam Richtung Dänemark, indem wir Segel setzen und reffen, immer unter dem wachsamen Auge von Skipperin Berit (31). Sie sorgt mit bestimmtem Tonfall dafür, dass jeder anpackt. Mit Hilfe digitaler Karten, dem richtigen Wind und gelegentlichem Einsatz des 360 PS starken Motors navigiert Jaap sein Schiff immer dorthin, wo die besten Surfbedingungen vorliegen: viel Wind und flaches Wasser. „Stehreviere sind Traumspots für uns Surfer, weil das Wasser hier maximal hüfttief ist. Wenn du zwischendurch von deinem Board getrennt wirst, bist du schnell wieder dort, ohne unnötig viel Kraft zu verschwenden – besser geht’s nicht“, erklärt Wassersportlehrer Christoph (29) die Schwierigkeit bei der Suche nach dem richtigen Spot und gleichzeitig auch die Besonderheit dieser Bootstour. Denn diese einzigartigen Orte würden wir mit herkömmlichen Transportmitteln in der kurzen Zeit wohl kaum erreichen.

Traumroute zum Wind- und Kitesurfen
So entern wir innerhalb von fünf Tagen die besten Surfreviere Dänemarks und Schwedens, legen im dänischen Klintholm an, ankern auf See im Nirgendwo und fahren mit zwei Motorbooten zu einer nahe gelegenen Sandbank, um dort unsere Ausrüstung auszubreiten. Als einziges Zeichen der Zivilisation ist in der Ferne nur noch die gigan­tische Öresundbrücke sichtbar, die das dänische Festland mit dem schwedischen verbindet. Noch am selben Abend erreichen wir den Hafen der Halbinsel Falsterbo nahe Malmö. Der Wind stimmt, und schon bald steigen die bunten Kites in den Himmel – nicht ohne die staunenden Blicke der wenigen Anwohner, die ein altes Segelschiff in der Funktion einer solchen Surfbude offenbar nicht alle Tage zu Gesicht bekommen.

Keine Spur von Müdigkeit
Fürs leibliche Wohl an Bord sorgt Katharina, die nicht nur kitet, sondern auch in der Kombüse leckere Mahlzeiten zubereitet und sich beim Schnippeln und Kochen und dem anschließenden Spüldienst über jede helfende Hand freut. Während die Tage auf dem Wasser von Wind und Wellen bestimmt werden, klingen die Abende bei Bier und jeder Menge Seemannsgarn aus. Doch Katerstimmung oder Durchhänger: Fehlanzeige. Als ich mich noch in den Laken meiner schmalen Viererkoje wälze und dem Wind in der Takelage lausche, stehen die Ersten schon beim Morgengrauen im Neoprenanzug an Deck, angespannt vor Vorfreude, und machen sich um 6 Uhr morgens auf den Weg zum Strand.

Erste Versuche im Kitesurfen
Später am Morgen, aber nicht weniger angespannt, finde dann auch ich mich mit Neoprenanzug und Trapez ausgestattet im hüfttiefen Wasser wieder. Zugegeben: Ein flaues Magengefühl habe ich schon, bin ich doch felsenfest davon überzeugt, dass dieser gewaltige Schirm mich wie einen Luftballon in den Himmel ziehen wird. Ich fange mit den Standardübungen an, fliege mit dem Schirm in der Luft die Uhrzeiten ab und lasse mich bei sogenannten „Body-Drags“ vom Kite möglichst kontrolliert durchs Wasser ziehen. „Übertrag deine eigene Ruhe auf den Schirm“, rät mir Wassersportlehrer Christoph nach mehreren Bauchklatschern, denn ich ziehe viel zu hektisch an den Strippen.

Eine Reise, die verbindet

Als ich nach und nach die Kontrolle bekomme, will ich am liebsten direkt aufs Brett steigen und zur Luft­akrobatin werden – der Ehrgeiz hat mich gepackt, aber ganz so einfach ist es dann doch nicht. Erschöpft schäle ich mich am Abend aus dem nassen Neoprenanzug, und die Heimfahrt zurück nach Warnemünde ist dann nichts für schwache Gemüter. Bei zweieinhalb Meter hohen Wellen bleibt kaum etwas an Bord, was nicht befestigt ist, die Gischt schäumt, während sich das alte Segelschiff mühsam seinen Weg durch die Fluten bahnt. Als Warnemünde in Sicht kommt, verspüren wir Erleichterung, verbunden mit einem Hauch von Sentimentalität. Schließlich waren wir fünf Tage lang gemeinsam auf See, sind zusammen zum Teil der Crew geworden, immer auf der Suche nach dem besten Wind. „Mit euch würde ich auch in die Karibik fahren“, versichert uns Kapitän Jaap, bevor er sein Traumschiff sicher zurück an die Pier manövriert.

Quelle und Dank an: Katharina Klein – fitforfun.de ( + weitere Bilder von: Kai Müllenhoff/Fit for Fun )

Fotoquelle und Dank an: Stefan Liebig – kitewithfriends.de

Herzlichen Dank an: Sandra Herch ( Assistentin der Chefredaktion Fit for Fun )